© WEIDT CONSULT 2025
von Heinrich Ulrich Seidel
Eines der ältesten Speditions- und Logistikunternehmen
Deutschlands, das sich seit sieben Generationen im
Familienbesitz befindet, ist die im südlichen Siegerland
ansässige Firma WEIDT-ISL GMBH aus Burbach. Das Siegener
Adressbuch von 1834 führt Gerlach Waid aus Salchendorf bei
Neunkirchen als Berg- und Hüttengewerkebesitzer, Stahl- und
Eisenhandel". Ein aus den 1830er Jahren stammendes, leider
nicht mehr vollständig erhaltenes Rechnungsbuch belegt jedoch,
dass von Gerlach Waid nicht nur eigene Handelsgüter
transportiert wurden, sondern dass er auch
Beförderungsaufträge von Dritten durchführte.
Nachweisen lässt sich die Familie Waid oder Waidt - beide
Schreibweisen sind in der damaligen Zeit gebräuchlich - seit
dem Ende des 18. Jahrhunderts in Salchendorf, denn im Juli des
Jahres 1774 heirateten Johann Antonius Waid (geb. 1748)* aus
Daaden und Barbara Elisabeth Thielmann aus Salchendorf,
wohin auch der Sitz der Familie gelegt wurde.
Offenbar konnte ihr 1778 geborener Sohn Johann Gerlach Waid,
der 1803 Anna Maria Reiffenrath heiratete, die Firma von
seinem Vater Johann Anton übernehmen. Das bereits
angesprochene Rechnungsbuch aus den 1830er Jahren zeigt,
dass das Unternehmen mindestens seit 1813 bestand, denn es
wird auf einen Geschäftsvorgang aus diesem Jahr verwiesen.
Dass es vor 1813 unternehmerische Aktivitäten gab, kann nur
vermutet werden, denn weder das Rechnungsbuch der Firma
noch die entsprechenden Kirchenbücher machen hierzu
Angaben. Berufs- bzw. Standesbezeichnungen in den kirchlichen
Unterlagen wurden erst im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts
eingeführt. Als Gerlach Waid im Jahr 1837 starb, hatte sich das
Unternehmen allerdings schon so weit entwickelt, dass der
Handel mit Eisenerz und Eisenprodukten mit eigenen
Gespannen z.B. bis nach Frankfurt/M. oder an den Niederrhein
durchgeführt wurde.
Der 1849 geborene Ferdinand Weidt, der die Firma von seinem
Vater Anton, einem Sohn Gerlachs,
übernommen hatte, musste auf die
Herausforderung reagieren, die
durch den Bau der Eisenbahn auf
ihn zukam. Im Jahre 1861
eröffnete die Köln-Mindener
Eisenbahngesellschaft ihre
Bahnlinie zwischen Köln-Deutz und
Gießen, zu der auch der Bahnhof in
Neunkirchen gehörte. Mit der
Fertigstellung dieser Bahn wurde
der Transport von Massengütern
wie Eisenerz weitgehend von der
Straße auf die Schiene verlagert. Allerdings gab es vorläufig
noch keine Bahnverbindungen zu der damals bedeutenden
Grube Pfannenberger Einigkeit und zu anderen Betrieben im
Wildener Tal nordöstlich von Neunkirchen. Diese Lücke wurde
erst mit der Eröffnung der Freien Grunder Eisenbahn 1907
geschlossen.
Um die Jahrhundertwende entwickelte sich der
Fuhrmannsbetrieb Weidt, der eigene und fremde Handelsgüter
von einem Ort zum anderen transportierte, zu einem modernen
Dienstleistungsunternehmen, dessen Geschäftstätigkeit in der
Bereitstellung von Beförderungskapazitäten in ganz
unterschiedlichen Bereichen bestand. Zum einen konzentrierte
man sich auf Spezialtransporte. So wurden beispielsweise
Sprengstoffe in vierzehntägigen Reisen von der Gewerkschaft
Würgendorf ins Saarland und in das Ruhrgebiet gefahren, wo
man sie zum Steinkohleabbau benötigte oder Kabeltrommeln
zur Elektrifizierung
des Westerwaldes.
Andererseits zeigen
die Aktivitäten, die
man im Siegerländer
Eisenerzbergbau
entfaltete, die
Neuorientierung, zu
der man sich durch den Bau der Bahn gezwungen sah. Ein
Beispiel für diesen Geschäftsbereich stellt der Transport von
Maschinenteilen dar, die für das neue Maschinenhaus der Grube
Bollnbach in Herdorf bestürmt waren. Die wöchentlich
erscheinende Hellerthaler Zeitung berichtete am 28. Juli bzw.
am 4. August 1906, daß ,,die Fuhrunternehmer Weidt und (sein
Schwager) Henrichs aus Neunkirchen" ein Rahmengestell ,,im
Gewicht von 321 Centnern" und eine ,,Welle der
Fördermaschine" von 400 Zentnern Gewicht mit Hilfe von 24
Pferden und ,,Hülfsmannschaften" einen mit 40 Grad Steigung
sehr steilen Hang hinauf bis zu seinem Bestimmungs- und
Einsatzort befördert hatten. Der Artikel der Hellerthaler Zeitung
weist darauf hin, dass es bei diesem Unterfangen vor allem um
die technische Realisierung eines schwierigen Transportes ging,
der mit den üblichen Methoden nicht möglich gewesen wäre.
Wörtlich heiß es in der Hellerthaler Zeitung vom 4.8.1906: ,,Für
Techniker ist der Transport eine sehr interessante Leistung." Es
wurden Teile des Hanges abgetragen, eine Schienenanlage
installiert und eine Drahtseilwinde angebracht, mit deren Hilfe
man die schweren Bauteile ziehen konnte.
Ein anderes Geschäftsfeld im Bereich des Bergbaus war das
Bereitstellen von Grubenpferden, die eine besondere Ausbildung
besitzen mussten, um mit den Bedingungen untertage
zurechtzukommen. Um ein Erblinden der Tiere zu verhindern,
war es nötig, sie mehrmals in der Woche ans Tageslicht zu
bringen. Als in den dreißiger Jahren elektrisch betriebene
Grubenbahnen eingeführt wurden, schien das Geschäft mit den
Grubenpferden beendet. Doch Anfang der vierziger Jahre
mussten im Zuge der Kriegswirtschaft wieder Pferde in die
Stollen einfahren, da die für Grubenbahnen benötigten
Akkumulatoren nicht mehr zur Verfügung standen. Somit blieb
das Geschäft mit Grubenpferden bis 1956 Bestandteil des
Unternehmens. Erst in diesem Jahr wurden die letzten Pferde,
die in der Grube Pfannenberger Einigkeit im Einsatz gewesen
waren, außer Dienst gestellt.
Ein weiterer Einsatzbereich kam hinzu: Da es auf dem
Güterbahnhof in Neunkirchen keine Rangierloks gab, wurden für
die notwendigen Rangierarbeiten Pferde des Fuhrunternehmers
Waidt als Zugtiere eingesetzt. Aber auch für die im Siegerland
damals noch übliche Arbeit im Hauberg (eine spezielle Form der
Niederwaldwirtschaft), wurden Pferde, zum Beispiel für
Rückarbeiten, bereitgestellt.
Am eindrucksvollsten sind jedoch die Bilder von riesigen
Schwertransporten. Beispielsweise zeigt ein Bild, das um das
Jahr 1900 entstand, die Beförderung eines Dampfkessels der
Firma Weinbrenner. Es handelt sich um ein Fuhrwerk mit 14
vorgespannten Pferden.
Um die Transporte in Richtung Süden, vor allem nach
Frankfurt/M., ins
Saarland und in
die Wetterau
zügig erledigen
zu können,
richtete man um
die
Jahrhundertwende in Limburg eine Relaisstation ein, an der die
Pferde gewechselt werden konnten. Man war somit nicht mehr
gezwungen, lange Ruhepausen zu machen beziehungsweise
sich fremder Pferde zu bedienen.
Kesseltransport um 1900 in Neunkirchen Ortsmitte.
Um 1940 - Fritz Weidt (ein Sohn von Ferdinand Weidt) führte
mittlerweile das Unternehmen - waren
von den etwa 25 Pferden, die man vor
1914 und auch in den zwanziger und
dreißiger Jahren besessen hatte, nur
noch acht übrig. Wie auch schon
während des Ersten Weltkriegs
wurden erneut Tiere für den
Kriegseinsatz beschlagnahmt. Aus der
Zwischenkriegszeit ist noch zu
berichten, dass es den ersten Versuch
einer Motorisierung gab: Um 1930
kaufte man einen LKW, musste den
Wagen jedoch schon nach kurzer Zeit wieder abstoßen. Die im
ländlichen Raum des Siegerlandes fehlende Infrastruktur
machte den Betrieb eines LKWs unmöglich. Es standen weder
qualifizierte Werkstätten in ausreichender Anzahl zur Verfügung,
noch war eine befriedigende Versorgung mit Kraftstoff sowie
Ersatzteilen gesichert, die von den damals nicht eben
zuverlässigen Wagen benötigt wurden.
Bis nach dem Zweiten Weltkrieg setzte man bei der Spedition
Weidt auf Pferde, da sie zuverlässiger und weniger aufwendig in
der Versorgung und im Unterhalt waren. Das Beschlagen der
Pferde wurde jedoch nicht von Angestellten der Firma Weidt
durchgeführt, sondern durch den Hufschmied Baumgarten aus
Wiederstein bei Neunkirchen.
1949 begann jedoch unter Kurt Weidt (ein Sohn von Fritz Weidt)
der endgültige Einstieg in das
motorisierte Zeitalter mit einem
Dreitonner der Marke Ford. Heute
umfasst der Fuhrpark des
Unternehmens über 100 Fahrzeuge,
wovon ca. dreißig motorisierte,
sogenannte ziehende Einheiten sind.
Die über achtzig Mitarbeiter des
Unternehmens beschäftigen sich nicht
nur mit dem reinen Transport von
Gütern, sondern ebenso mit deren
Lagerung, Verpackung,
Kommissionierung und Distribution. Außerdem gehört zur Firma
eine große Werkstatt, in der Wartungs- und Reparaturarbeiten
an motorisierten und unmotorisierten Fahrzeugen sowie die
Umbaumaßnahmen an Anhängern und Aufliegern durchgeführt
werden können, um diese für spezielle Einsatzzwecke
einzurichten.
Der Firmensitz, der sich ursprünglich im Ortskern von
Neunkirchen befand, wurde im Jahre 1906 durch einen Neubau
an gleicher Stelle ersetzt, der allerdings größer war und mehr
Unterstellmöglichkeiten für Pferde und Fuhrwerke bot. Da die
Lage in der Ortsmitte, ursprünglich ein Standortvorteil des
Unternehmens, in den letzten Jahren immer mehr die Ent-
wicklung der Firma behinderte, zog man 1987/88 in ein
autobahnnahes Industriegebiet, das einer weiteren
Vergrößerung der WEIDT-ISL GMBH nunmehr genügend Platz
bietet.
Quelle: Westfälisches Landesmuseum Hagen
Sonderdruck: EXPRESS, Menschen, Güter,
Straßen
* Mittlerweile haben Recherchen ergeben, dass der Vorfahre
Hildebrand Weid bereits 1635 als Fachkraft für den Berg- und
Hüttenbau nach Daaden kam. Sein Sohn Michael Weyd (1665) wurde
staatlicher Bergrevierbeamter.
Seit 2024 gibt es eine aktualisierte Fortschreibung dieser Historie.
Erschienen 2024 in der Westfalenpost von Chefredakteur Stefan
Schwab
„Geschichte einer Spedition - Vom Pferd zum Schiff“
Nachtrag:
Zur Vervollständigung dieser Historie möchten wir noch erwähnen,
dass die Speditionsabteilung um die Jahrtausendwende verkauft
wurde und im Jahr 2002 das verbliebene Transportunternehmen der
WEIDT-ISL GMBH seinen Betrieb eingestellt hat. An dieser Stelle
werden wir aber für alle Freunde des Hauses - oder sonstige
Interessenten - den letzten Stand der offiziellen Homepage
weiterhin ins Netz stellen. Seit 1995/96 waren wir mit einer eigenen
Homepage im Internet präsent. Wieder einmal sehr viel früher als
die meisten Unternehmen. Damals gab es auf der Homepage der
Deutschen Verkehrs-Zeitung (DVZ) nur einen Unternehmenseintrag
unter "W". Raten Sie mal wer das war. Seit dieser Zeit hatten sich
die Seiten natürlich weiter entwickelt. Aber die Grundzüge waren
bereits so vorhanden. Viel Spaß beim Stöbern.
Und falls sich jemand fragt, ob den Pferden die Arbeit nicht große
Mühe gemacht hätte, hier ein beeindruckendes Beispiel über deren
Leistungsfähigkeit.
Hartwig Weidt
Die Firma Weidt in Burbach
Vom Fuhrunternehmen zum modernen Speditions-
und Logistikanbieter